Historische Geschichten und Anekdoten von Andreas Sauer

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Die Ansichtskarte zeigt Ilmmünster etwa 1905 mit der Kirche im Vordergrund, rechts mittig die Brauerei und auf der linken Seite etwas weiter hinten die Gastwirtschaft Eckert, früher Propstei

 

 

Reich an Geschichte und Geschichte(n) – 1275 Jahre Ilmmünster

Ein seltenes Jubiläum kann Ilmmünster in diesem Jahr begehen. Auf 1275 Jahre zurückblicken zu können, ist eine außergewöhnliche Zeitspanne, die mit interessanten Entwicklungen und spektakulären Ereignissen gespickt ist. Als Sitz eines Klosters, eines Chorherrenstifts, als Pfründe hoher herzoglicher Kanzleibeamter und als Gerichtsbezirk kann Ilmmünster einige historische Besonderheiten aufweisen. Vor allem drei Gebäude prägten und beeinflussten über Jahrhunderte die Historie des Ortes.

 

Die Stiftskirche St. Arsatius

Auch wenn das Jahr der ersten Erwähnung „746“ historisch nicht haltbar ist und die ersten Nachweise zu Ilmmünster auf die Zeit um 765 zu datieren sind, ist unbestritten, dass der prägendste Bau die Stiftskirche St. Arsatius ist, die Spuren der Romanik aufweist. In ihrer heutigen äußeren Ausgestaltung stammt sie aus der Zeit um 1200, Veränderungen im Inneren erfolgten 1676 und 1875.

Das ursprünglich hier bis zum 10. Jahrhundert bestehende Kloster, möglicherweise ein Filialkloster von Tegernsee, und das spätere Chorherrenstift waren geistliche Zentren im Ilmtal und auch wegen der dortigen Bildungsanstalt von Bedeutung. An der Ilmmünsterer Stiftsschule ist möglicherweise auch der letzte Hohenstaufer Konradin (1252–1268) erzogen worden. Mit der Requirierung der Reliquien des heiligen Arsatius, dem am Ort besonders verehrten Heiligen, im Jahr 1494 für die Ausstattung des gerade fertig gestellten Münchener Doms verlor Ilmmünster seine Bedeutung.

 

Ilmmünster als Gerichtssitz – die Propstei als Zentrum der Rechtsprechung

Neben seiner Bedeutung als geistliches Zentrum entwickelte sich Ilmmünster im 14. Jahrhundert auch zum eigenständigen Gerichtsbezirk. Mit der Verleihung der „Niedergerichtsbarkeit“, der Rechtsprechung über alle nicht mit der Todesstrafe geahndeten Verbrechen, war seit 1315 in Ilmmünster ein vom Liebfrauenstift München als Eigentümer der Hofmark bestellter Richter ansässig.

Bis 1803 ahndete er die kleinen Vergehen der Bevölkerung, sein Gerichtssitz war die damalige „Propstei“, die heutige Gastwirtschaft Eckert. Mit der Aufhebung der Hofmark im Jahr 1803 endete die Zeit der Gerichtsherrschaft. Ilmmünster wurde 1818 Sitz einer politischen Gemeinde ohne eigene Rechtsprechung.

 

Die Brauerei als wirtschaftliches Machtzentrum

Die Anfänge der Brauerei Ilmmünster reichen ins 16. Jahrhundert zurück. Zunächst mit nur kleinem Einzugsgebiet versorgte sie bald auch die umliegenden Orte mit Bier, sehr zum Verdruss etwa der Pfaffenhofener Brauer. Nach dem 30-jährigen Krieg gelang es dem damaligen Brauereibesitzer Petrus Mitlhamer, den sogenannten „Propsteibau“, dies waren umfangreiche Gründe an Äckern, Wiesen und Waldungen, zu erwerben und die Brauerei zu einem Wirtschaftszentrum auszubauen.

Bald tauchten auch Angehörige von Pfaffenhofener und Friedberger Brauerfamilien als Besitzer auf und verschafften, wie Ferdinand Scherer Vater und Sohn, im 19. Jahrhundert der Brauerei einen guten Ruf, der weit über München hinaus reichte. Auch Politik wurde hier gemacht, so um 1900, als der damalige Brauereibesitzer Ignaz Mittermeier die seitens der katholischen Kirche höchst kritisch beäugten „Bauernbündler“ nach Ilmmünster holte und es zu turbulenten Veranstaltungen kam.

 

Feier früherer Jubiläen

Schon die 1000-Jahr-Feier 1746 begingen die Ilmmünsterer mit einem fünftägigen Fest. Geistliche und weltliche Würdenträger reisten von Augsburg und München vierspännig an, feierliche Gottesdienste und eine unglaubliche Zahl von mehreren Tausend Kommunikanten gaben ein prächtiges Bild im damals rund 500 Einwohner zählenden Ort.

Ein Jahrhundert später erfüllte sich für die Bevölkerung ein großer Wunsch. Nach mehr als 300 Jahren kehrten die Reliquien des heiligen Arsatius zur 1100-Jahr-Feier 1846 wieder nach Ilmmünster zurück. Die sterblichen Überreste besaßen für die Menschen eine große Bedeutung, ihr Ortsheiliger war wieder „heimgekehrt“.

 

Andreas Sauer

 

Brauerei  Ilmmünster 1898

Brauerei 1898

Brauerei Mittermeier um 1900

Brauerei Mittermeier um 1900

 

Bierbarone und Spekulanten: Die wechselvolle Geschichte der Brauerei Ilmmünster

Ilmmünster besaß mit der Brauerei am Ortsausgang nach Scheyern einen bedeutenden Gewerbebetrieb, der schon im 17. Jahrhundert Gäste und hohe Herrschaften aus Städten wie München, Ingolstadt und Augsburg anzog. Aus kleinen Anfängen heraus entwickelte sich die Braustätte zu einer der größten Landbrauereien Altbayerns mit über 400 Tagwerk Grundbesitz und zu einem wichtigen Arbeitgeber am Ort.

 

Ursprung Mitte des 16. Jahrhunderts

Die ältesten Spuren reichen zurück in die Zeit um 1550, als Hans Daller aus Scheyern mit der Bierproduktion in Ilmmünster begann und zunächst nur kleine Mengen an die hiesige Geistlichkeit und in benachbarte Orte lieferte. Sein Sohn Sebastian und Enkel Andreas führten den Betrieb weiter, ehe der 30-jährige Krieg (1618–1648) einen Einschnitt für die aufstrebende Brauerei bedeutete.

 

Begründung einer 200 Jahre währenden Brauerdynastie

Im Jahr 1618 hatte das Liebfrauenstift München als Besitzer der Hofmark (Niedergerichtsbezirk) Ilmmünster die Brauereigebäude erworben und ausgebaut und vergab die Bierproduktion zunächst jahresweise. Mitte des 17. Jahrhunderts stabilisierten sich mit der Besitzübernahme der aus Pfaffenhofen stammenden Brauerfamilie Ziegler die Verhältnisse, was zu einem Aufschwung des Betriebes mit einem monatlichen Ausstoß von 60 bis 70 Hektolitern führte.

Nach der Einheirat von Mathias Niclas Paur, Bierbrauerssohn aus Isareck bei Moosburg, erlebte die zu einem Gutsbesitz ausgebaute Brauerei – ein Viertel des gesamten Gemeindegrundes gehörte mittlerweile zu ihr – im 18. Jahrhundert eine anhaltende Blütezeit. Aus der weitverzweigten Brauerfamilie übernahm sein Enkel Ferdinand Scherer aus Friedberg den Besitz. Er und sein Sohn machten Ilmmünster zu einem beliebten Ziel für zahlreiche Ausflügler, die zu Fuß oder von weit her per Kutsche hierherkamen.

 

Spekulanten, letzte Blütezeit und Niedergang

Mitte des 19. Jahrhunderts veräußerte Ferdinand Scherer die Brauerei. Adelige und Militärs waren in den folgenden Jahren kurzzeitig Besitzer, die die prächtigen Gebäude jedoch nur als Sommersitz und nicht als Wirtschaftsbetrieb nutzten. Auch Spekulanten kauften sie, so der in zweifelhaftem Ruf stehende Napoleon Homolatsch, zuvor Sekretär von Adele Spitzeder aus München, die mit fragwürdigen Kreditgeschäften zahlreiche Menschen um ihr Vermögen gebracht hatte.

Einen letzten Aufschwung erlebte die Brauerei unter Gebhard Einsle und seinem Schwiegersohn Ignaz Mittermeier, die „Ilmmünsterer Stoff“ im ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhundert zu einem der gefragtesten Biere in der näheren und weiteren Umgebung machten. Mit dem frühen Tod des letzten Brauers in Ilmmünster, Josef Ostermair aus Kollbach, kam auch das Ende des Betriebes. Er war wenige Wochen nach Beginn des Ersten Weltkriegs im August 1914 in Frankreich gefallen. Seine Witwe führte die Brauerei noch bis 1917, ehe sie in einer Zeit des Brauereisterbens den Besitz an den Maisacher Großbrauer Josef Sedlmayer verkaufte. Er schenkte in Ilmmünster seine eigenen Sorten aus und verpachtete die Gastwirtschaft, Ilmmünsterer Bier gab es nicht mehr.

 

Andreas Sauer

 

Freiluftkino „Das sterbende Kloster“

Historienspiel von Reinhard Haiplik 

- Dichtung und Wahrheit -

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„Die Kanoniker in Ilmmünster erfüllen ihre Chorpflichten nicht und führen ein unehrenhaftes, ausschweifendes Leben ohne Tugend.“

Solch harte Worte finden sich in der päpstlichen Bulle von 11. April 1492 zu. Es kostete dem Münchner Herzog Albrecht IV. keine besondere Mühe, diese päpstliche Weisung zu erwirken. Das angeblich unsittliche Verhalten der Ilmmünsterer Chorherren diente freilich nur als Vorwand. In erster Linie waren es politische Gründe, die den Herzog bewogen, mit aller Macht die Auflösung des ehrwürdigen Stiftes an der Ilm zu betreiben. Er wünschte sich geistliche Berater an seiner Münchner Residenz. Zudem benötigte er für die neu erbaute Frauenkirche in München angesehene Kleriker; Kleriker wie sie damals in Ilmmünster zu finden waren.

Vergeblich widersetzten sich der Freisinger Bischof Sixtus von Thannberg, Probst Theoderich Mair und Dekan Caspar Rabein dem Auflösungsbeschluss. Im März 1495 feierten die Augustiner-Chorherrn ihr letztes Messopfer in Ilmmünster. Und noch ein weiteres Opfer wurde den Ilmmünsterern abverlangt: Mit der Klosterauflösung wurden auch die Gebeine des in Ilmmünster hoch verehrten Hl. Arsatius in die Frauenkirche überführt. Dies führte in der Bevölkerung zu Tumulten. Doch letztlich stand das Dorf der Entscheidung von Klerus und Adel ohnmächtig gegenüber.

Diese dramatischen Ereignisse bilden die Grundlage des Historienspieles „Das sterbende Kloster“.

Zur historischen Realität tritt dichterische Phantasie: Ein verzweifelter Rettungsversuch, eine unglückliche Romanze, eine düstere Prophezeiung. Es sind Personen jeglichen Standes zu erleben, die hoffen, leiden, kämpfen und verzweifeln. Vertreter von Volk, Adel und Geistlichkeit vermischen sich in die Handlungsebenen, lassen sich nicht einfach in ein simples Gut-Böse-Schema einreihen. Angetrieben von edlen Motiven, weichen sie unter dem Einfluss der Macht aus auf Hass, Neid und Eifersucht. Überhaupt – die Frage nach dem verantwortungsvollen Umgang mit der Macht wird zum zentralen Thema des Stückes.

Alle Namen der handelnden Personen sind in Ilmmünsterer Urkunden des 15. Jahrhunderts belegt.

 

Das Stück „Das sterbende Kloster“, geschrieben von dem Pfaffenhofener Reinhard Haiplik zur 1.250-Jahrfeier, wurde damals als Freilichttheater im Pfarrgarten mit vielen Ilmmünsterer Laiendarstellern aufgeführt und von Anton Stadler aus Ilmmünster digital aufgenommen.

 

Bedeutende Persönlichkeiten aus Ilmmünster

Wiederholt wirkten in Ilmmünster geborene oder hier tätige Persönlichkeiten über ihren engeren Lebensraum hinaus. Einige erlangten bayern- und sogar deutschlandweit Bekanntheit und setzten sich zum Wohl ihrer Mitmenschen und für Religion, Kunst und Kultur ein.

Johann Baptist Mittendorfer (1747–1825)

Mitterndorfer

Ein vor allem für die Schulgeschichte Pfaffenhofens bedeutender Geistlicher war Pfarrer Johann Baptist Mittendorfer, Malersohn aus München. Von 1784 bis zu seinem Tod im Jahr 1825 stand er an der Spitze des Pfarrsprengels. Das Bildungswesen war ihm eine Herzensangelegenheit. Schon in den ersten Jahren seines Hierseins brachte er die Dorfschule zu einer Zeit, in der es noch keine allgemeine Schulpflicht gab, in eine so gute Verfassung, dass die Schüler bei Prüfungen durch ihre überdurchschnittlichen Kenntnisse auffielen und die Besten mit Preisen oder sogar Silbermünzen ausgezeichnet wurden.

In Mittendorfers Zeit fiel die Epoche der kirchenfeindlichen Säkularisation, die unter anderem den Abbruch der St.-Peterskirche herbeiführte, die in unmittelbarer Nähe der Stiftskirche St. Arsatius gestanden hatte. Der vielfältig aktive Geistliche betrieb den Neubau einer Schule im Jahr 1803 am ehemaligen Standort besagter Nebenkirche, verbesserte aus eigenen Mitteln ihre Ausstattung und beschaffte Lehrbücher und „physikalische Instrumente“ für Versuche. Im Alter von 78 Jahren starb Johann Baptist Mittendorfer 1825 während einer Fahrt nach München bei Maisteig und wurde in Ilmmünster beerdigt.

Franz Xaver Eisenhofer (1783–1855)

1783 in Ilmmünster als Sohn des damaligen Hofmarksamtmanns Franz Eisenhofer geboren, erlangte Franz Xaver Eisenhofer auf einem anderen Gebiet große Bedeutung. Zunächst als Lehrer für höhere Unterrichtsanstalten in Landshut, Passau und Neuburg tätig, wirkte er seit 1824 in Würzburg, wo er bereits im Folgejahr bis zu seinem Lebensende als promovierter Altphilologe Rektor der beiden Studienanstalten in Würzburg – des Gymnasiums und der Lateinschule – war.

Auf musikalischem Gebiet war Eisenhofer, selbst ein begnadeter Tenorsänger, treibende Kraft bei der Verbreitung des „Quartett-Gesangs“ in Gesangvereinen und Liedertafeln. Verschiedene von ihm komponierte Stücke gehörten zum Repertoire zahlreicher Chorsänger und Gesangvereine. Ein Jahr vor seinem Tod 1855 ehrte ihn König Max. II. für seine Verdienste mit dem Ritterkreuz des St.-Michael-Ordens.

Franz Xaver Kapplmayr (1825–1911)

Kapplmayr

Franz Xaver Kapplmayr stammte aus dem „Schneideruler“-Anwesen und erlangte als Ordensgeistlicher große Bekanntheit. Als Mitglied des Kapuzinerordens, dem er im Alter von 19 Jahren beitrat, wirkte er als Beichtvater, im Missionswesen, als Guardian (Klostervorsteher) und stieg durch Berufung von Papst Leo XIII. 1884 bis zum Generaldefinitor auf, womit im gesamten Orden nur noch der Generalmeister über ihm stand. Kapplmayrs Wirkungskreis reichte bis ins Rheinland, nach Böhmen, Mähren und nach Istrien.

Der gebürtige Ilmmünsterer machte sich als „Retter der bayerischen Orden“ einen Namen. In der Zeit des sogenannten „Kulturkampfes“ (1870er Jahre), einer Zeit aggressiv geführter Debatten zwischen Staat und katholischer Kirche, war der Fortbestand der Glaubensgemeinschaften gefährdet. Kapplmayr wandte sich direkt an den Papst in Rom, kontaktierte Abgeordnete und nahm wesentlich Einfluss auf den Erhalt der Orden. Auf zahlreichen Eisenbahn- und Schiffsreisen, die ihn bis nach Nordamerika führten, erlebte er im Rahmen seiner Missionstätigkeit manchen Sturm und Unglücksfälle, kam jedoch trotz gesundheitlicher Beeinträchtigungen stets mit dem Leben davon.

Franz Xaver Kapplmayr vergaß nie seinen Heimatort Ilmmünster. Er sorgte für die – zum Teil kritisch gesehene – Umgestaltung der Kirche im Nazarener-Stil und stiftete Geldbeträge für den Bau der Mädchenschule, die 1894 eröffnet werden konnte. Er verfasste auch eine umfassende handschriftliche Darstellung zur Geschichte von Ilmmünster von den Anfängen bis 1905. Viele Ereignisse des 19. Jahrhunderts wie die Herrnraster Kirchweih oder die 1100-Jahr-Feier 1846 konnte Franz Xaver Kapplmayr aus eigenem Erleben schildern. Im hohen Alter von 86 Jahren verstarb er nach einem erfüllten und wirkungsmächtigen Leben in Altötting, dem Hauptsitz des Kapuzinerordens in Bayern.

 

Gerichts- und Rechtsplätze in Ilmmünster

Mit der Erhebung Ilmmünsters zu einer Hofmark, einem Gerichtssitz mit niedergerichtlichen Befugnissen, bekam der Ort im Jahr 1315 Kompetenzen zur Regelung kleinerer Vergehen. Mit einem Hofmarksrichter an der Spitze gehörten zum Zuständigkeitsbereich alle Vergehen außer diejenigen, die die Todesstrafe nach sich zogen, wie Mord oder schwerer Diebstahl.

Die Propstei als Gerichtssitz

Die vom Liebfrauenstift München als Besitzer der Hofmark eingesetzten Richter besaßen in der Propstei im Ortszentrum (Riedermühlerstraße 1) ihren Amtssitz. Hierher mussten die im Bereich des Rechtsbezirks lebenden Personen – dies betraf die Bewohner von Ilmmünster, Ilmried, Riedermühle, Hettenshausen, Webling und Unterdummeltshausen – kommen, um Abgaben zu entrichten, kleine Übertretungen zu „beichten“ und ihr Strafmaß entgegenzunehmen. Das beeindruckende, 1698 neu erbaute und 1792 umgestaltete Gebäude besaß einen von zwei Mauern eingefassten Zugang, durch den die Untertanen vor den Richter treten mussten.

Zollgrenze beim „Bader“-Anwesen

In der Hofmark Ilmmünster bestand eine Durchgangsstraße mit Zollgrenze, auf der Waren- und Viehlieferungen erfolgten. So führte eine der Routen für Schweine- und Ochsentransporte durch Ilmmünster. Um die entsprechenden Abgaben dafür einfordern zu können, bestand am damaligen Ortsende beim „Bader“ (Freisinger Straße 1) eine Zollgrenze, wo ein „kurfürstlicher Beizollner“ nach Zahlung eines Zolls die Schranken zu bedienen und den Weg freizugeben hatte.

Abschreckende Wirkung: Der „Viertelgalgen“ an der Münchener Landstraße

Zwar besaß Ilmmünster nicht die sogenannte Hoch- oder Blutgerichtsbarkeit für schwere Vergehen, doch befand sich ein sichtbares Zeichen dieser Form der bayerischen Rechtsprechung auf Hofmarksgrund.

Zur Abschreckung für alle Vorbeigehenden stand an der Kreuzung der alten Münchener Landstraße mit der an Herrnrast vorbei nach Freising führenden Straße im Bereich der heutigen Bahnunterführung ein sogenannter „Viertelgalgen“. An ihm – der Name deutet es an – waren Teile von Hingerichteten befestigt. Damit sollte der Bevölkerung deutlich gemacht werden, dass in diesem Raum durch den bayerischen Kurfürsten als oberstem Landesherrn Recht gesprochen und auch vollzogen wurde. Bevorzugt standen derartige Rechtsmale an frequentierten Landstraßen und Kreuzungen, um möglichst Vielen die drakonische bayerische Strafjustiz deutlich vor Augen zu führen.

Das Ende dieser mittelalterlich anmutenden Rechtsprechung – es gab im Ort auch einen Pranger und eine Schandsäule für das Abbüßen von Strafen – kam zu Beginn des 19. Jahrhunderts. 1807 mussten alle Galgen abgebaut werden, nachdem bereits vier Jahre zuvor Ilmmünster seinen Status als Hofmark mit den eigenen richterlichen Kompetenzen verloren hatte.

 

Probstei Gerichtsdienerhaus

Die Bilder zeigen die (links) Propstei (heute Gastwirtschaft Eckert) und (rechts) das ehemalige Gerichtsdienerhaus (später Handlung Zrenner) als Orte der Rechtsprechung durch den Hofmakrsrichter bzw. als Sitz des Gerichtsdieners.

 

Kriminalfälle aus frührer Zeit

Gelegentlich machte Ilmmünster als Schauplatz spektakulärer Verbrechen Schlagzeilen. Unzucht, Raufereien und sogar Morde riefen immer wieder die Ordnungshüter hierher. Einige Fälle aus verschiedenen Jahrhunderten zeigen die zeittypische Strafrechtspraxis.

Schand- und Ehrenstrafen und Schläge auf das Hinterteil

Der verheiratete Lederer Josef Kellerer, ein rauer Bursche, war in ganz Ilmmünster gefürchtet. Er war bereits wegen begangener Diebstähle, Totschlags und Schlägereien amtsbekannt und brachte im Jahr 1792 mit wiederholtem Ehebruch das Fass zum Überlaufen. Kellerer hatte sich mit Anna Schiesl, einem „lasterhaft bösen Weibsbild“, eingelassen, die bereits zum vierten Mal ein uneheliches Kind bekam, dieses Mal von ihm. Die Ortsbewohner waren längst erbost darüber, dass sich solche Leute noch immer hier aufhalten durften.

Anna Schiesl, die für ihre Vergehen bereits drei Tage lang in die Geige gespannt und „mit aufgesetztem Kopf“ [„Eselsmütze“] bei der Schandsäule öffentlich ausgestellt worden war, sollte jetzt eine schwere Leibesstrafe erhalten. Joseph Kellerer wurde zu sechs Tagen im Amtshaus bei Wasser und Brot und „höchstens einer Brotsuppe“ verurteilt und erhielt an drei Tagen zudem „10 bis 15 Karbatschstreiche ad posteriora“ (Schläge auf das Hinterteil). Beim nächsten Vergehen drohte auch ihm eine schwere Leibesstrafe nach dem „Bayerischen Kriminalkodex“, dem blutrünstigen Strafrechtsgesetzbuch Bayerns.

Der Doppelmord von 1910

Ein schweres Verbrechen ereignete sich im Jahr 1910 zwischen Ilmried und Ilmmünster. Nach einem Streit im Ilmrieder Wirtshaus zwischen einem aus Scheyern stammenden Taglöhner und dem Gütler Daniel, der seine Patentochter vor ihm schützen wollte, verließ erstgenannter das Lokal und lauerte Daniel und seinen beiden Begleitern auf dem Heimweg am Ilmrieder Kirchweg auf. Der Taglöhner schlug auf die drei mit einem präparierten Holzprügel so heftig ein, dass zwei von ihnen bald verstarben und der überlebende Dritte Zeit seines Lebens an den Folgen der Schläge zu leiden hatte. Der Täter erhielt eine langjährige Haftstrafe.

Die Giftmordaffäre von 1921

Ein weiterer Kriminalfall ging als „Giftmordaffäre von Ilmmünster“ in die Geschichte ein. Auslöser für damals erfolgte Nachforschungen war der Tod eines Gütlers aus Ilmmünster, der völlig unerwartet und unter seltsamen Begleiterscheinungen gestorben war. Die Untersuchungen führten bald eine Serie von Verbrechen ans Tageslicht, die die Frau des Gütlers begangen hatte. Sie hatte ihrem erkrankten Ehemann mit Arsen vergifteten Tee verabreicht, woran er nach drei Tagen qualvoll starb. Vor ihrem zweiten Gatten hatte sie bereits ihren ersten Mann und ihre sieben Kinder umgebracht. Nachdem die Täterin zunächst zum Tode verurteilt worden war, begnadigte man sie zu lebenslanger Haft.

Sonstige Vorkommnisse

Neben diesen Vorfällen kam es in Ilmmünster noch zu weiteren „handfesten“ Auseinandersetzungen. Auf einer turbulenten Hochzeit im Jahr 1892 führte, wie in der damaligen Presse zu lesen stand, große Hitze zu erhöhtem Bierkonsum bei den Gästen, der alsbald eine großen Keilerei nach sich zog. So prügelte sich ein großer Teil der Hochzeitsgesellschaft und verwendete neben Maßkrügen auch die Instrumente der Musikkapelle als Schlaggeräte.

Im Jahr 1909 kam es an Allerseelen zu nächtlichen Randalen, als einige Burschen einem anderen den Heimweg vom Wirtshaus abschneiden wollten und ihm nachstellten. Dabei kam es zu Schüssen, die zur Verletzung des Verfolgten führten. Die Aufregung darüber im Ort war damals sehr groß, da es sich um Jugendliche handelte, die in der Nacht solche Übertretungen begingen.

Kriminalkodex Folterwerkzeug
Titelseite des "Kriminalkodex" aus dem Jahr 1771. Nach diesem 
bayerischen Strafrechtsgesetz wurden bis zum Beginn des 19. 
Jahrhunderts auch die Ilmmünsterer abgeurteilt.

Darstellung von Hinrichtungs- und Folterinstrumenten, im unteren 
Bereich zu erkennen: Schandsäule und Halsgeige.

 

Unglücksfälle und Naturkatastrophen in Ilmmünster

Brand in Ilmmünster

Die Aufnahme zeigt die Lösch- und Räumungsarbeiten nach dem Brand vom Juli 1917 an der Scheyerer Straße

 

In früheren Jahrhunderten wurden Ilmmünster und seine Umgebung wiederholt von Bränden und Naturkatastrophen heimgesucht. Diese wirkten auch deshalb verheerend, da die Bevölkerung gegen solche Ereignisse nicht abgesichert war und beim Verlust des Hauses oder einer ausfallenden Ernte vor dem Nichts stand.

 

Ein Regenguss bedroht die Existenz vieler Einwohner

Ein heftiger Regenschauer vernichtete im Jahr 1618 die Ernte von 25 Ortsbewohnern völlig. Betroffen waren neben dem Hofmarksrichter und dem Bräu vor allem die Besitzer kleinerer Anwesen. Diese von existentieller Armut bedrohten Bewohner stellten an das Liebfrauenstift München als Eigentümer ihrer Häuser ein Gesuch um Verschonung vor Steuern und Abgaben, da ihr Überleben sonst gefährdet war. Dem Gesuch wurde zugestimmt und die Betroffenen konnten die Notzeit überstehen.

 

Ein Großbrand verändert das Aussehen Ilmmünsters

Am 4. August 1733 kam beim Weber Mathias Conrad an der Hochstraße ein Feuer aus, das sich verheerend auf Ilmmünster auswirken sollte. Entlang der Scheyerer Straße und der von ihr abzweigenden Wege wurden 21 Gebäude, darunter 11 Häuser, ein Raub der Flammen, so auch die Wirtstaferne und der Bräustadel. Zum Teil an anderen, bis dahin unbebauten Plätzen entstanden die Wohnhäuser neu, jetzt in größerem Abstand zueinander und durchwegs gemauert, um weitere Brandkatastrophen zu verhindern.

 

Beginnender Brandschutz im 19. Jahrhundert

Im 19. Jahrhundert sind allein für Ilmmünster mehr als 20 Brände nachgewiesen. Noch immer standen hier aus Holz erbaute Wohnhäuser und Ökonomiegebäude. So brannten 1835 „im Zipfel“ am westlichen Ortsende die benachbarten Anwesen vom „Schneideruler“ und vom „Kuglmo“ sowie die Häuser vom „Ziegler“ und „Zipflschneider“ ab, Ursache war Brandstiftung. Mit der Bildung eines Brandausschusses und der Aufstellung einer Feuerwehr gelang es, gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Zahl der Brandunglücke zu reduzieren bzw. wirkungsvoll zu bekämpfen. Dennoch kam es im Jahr 1917 nochmals zu einem Großfeuer, das an der Scheyerer Straße vier Häuser vernichtete.

 

Überschwemmungen als lebensbedrohliche Gefahr

Wasser bedeutete für die Menschen in früherer Zeit eine große Bedrohung. Die über die Ufer tretende Ilm gefährdete neben der Ernte unmittelbar Menschenleben. So mussten die Bewohner Ilmmünsters den Fluss an verschiedenen Stellen über Furten passieren, sichere Brücken gab es nur an wichtigen Straßen. Erst durch entsprechende Brückenbaumaßnahmen seitens des Bezirks und der Gemeinde im späten 19. Jahrhundert konnte diese vor allem bei Hochwasser immense Gefahr gebannt werden.

 

Kirchen, Kapellen und Marterl

2 Kirchen Herrnrast Bildstock Bräukapelle

Die Arsatius- und die Peters-Kirche auf einer Bruderschaftsfahne aus dem 18. Jahrhundert

Die Herrnrast-Kirche um 1950 Der ursprüngliche Bildstock bei Unterdummeltshausen (1930er Jahre) Die "Bräukapelle"/Kapelle an der Straße nach Scheyern (um 1940)


 – Stätten des Glaubens und Orte des Gedenkens

Auf Gemeindegebiet finden sich einige Bauwerke, die auf eine besondere Geschichte zurückblicken können. Neben der das Ortsbild von Ilmmünster bestimmenden Pfarrkirche St. Arsatius besitzen weitere Kapellen und Denkmäler eine interessante Vergangenheit.

 

St. Arsatius und St. Peter – Bis 1803 zwei Kirchen am Ort

Die ehrwürdige, im 13. Jahrhundert neu erbaute Basilika St. Arsatius entstand auf dem Grund eines Vorgängerbaus aus dem 8./9. Jahrhundert. Über der Krypta als Stätte zur Verehrung des Hl. Arsatius besaßen die Chorherren des 1495 bestehenden Stifts Ilmmünster einen eigenen Bereich, der vom übrigen Kirchenraum abgetrennt war. Im ausgehenden 17. Jahrhundert erhielt die Kirche eine barocke Ausgestaltung und anstelle der bisherigen Flachdecke eine Einwölbung.

Unmittelbar neben ihr stand die alte Peterskirche, in der noch bis in das 18. Jahrhundert hinein Jahrtagsmessen gelesen wurden. Der Abbruch der kleinen gotischen Kirche konnte seitens der Gemeinde lange Zeit verhindert werden, ehe sie im Jahr 1803 ein Opfer der Säkularisation wurde, als für überflüssig erachtete Nebenkirchen niedergerissen wurden. Zwei Glocken und der Altar der Peterskirche kamen nach Ilmried in die dortige, reizvoll auf einer Anhöhe gelegene spätmittelalterliche Peterskirche.

 

Die Herrnrast-Kapelle – bekannt für ihre Kirchweih und Ziel der ersten Eisenbahnreisenden

Östlich von Ilmmünster liegt die 1689 errichtete Kirche „zu des Herrn Rast“ idyllisch auf einer Anhöhe und lädt zum Verweilen ein. Bis in das 18. Jahrhundert von einem dort in einem kleinen Häuschen lebenden Klausner betreut, gewann die stattliche Kapelle im 19. Jahrhundert Bedeutung durch die bekannte, zweitägige Kirchweih. Sie zog auch Gäste von weit her an, so Herzog Max von Bayern und seine Tochter, die spätere österreichische Kaiserin Sissi. Zur dortigen Dult im Jahr 1867 reisten einige Pfaffenhofener Bürger – drei Monate vor der offiziellen Eröffnung(!) – per Eisenbahn auf den bereits fertigen Geleisen nach Herrnrast.

 

Das Marterl bei Unterdummeltshausen erinnert an den Brand von 1884

Auf dem Weg von Ilmmünster nach Unterdummeltshausen gelangt man zu einem Bildstock, der in der Nähe des großen Hofs steht. Er erinnert an einen Unglücksfall, der sich 1884 in Ilmmünster zutrug. Beim Brand eines Anwesens verunglückte damals der Taglöhner Johann Moll aus Triefing tödlich. Zum Gedenken an ihn ließ das Kloster Scheyern an der damaligen Pfarrgrenze den Bildstock errichten und mit einer Ettaler Muttergottes ausstatten.

 

Vom Hopfengartenwächterhaus zur Bräukapelle: Der Rundbau an der Straße nach Scheyern

Eine ungewöhnliche Entstehungsgeschichte kann die kleine Rundkapelle erzählen, die, etwas versteckt, an der Straße nach Scheyerns steht. 1883 ließ sie der Ilmmünsterer Bierbrauer Gebhard Einsle errichten. Er baute an dieser Stelle ein Hopfengartenwächterhaus, um seine unterhalb gelegenen umfangreichen Feldgründe von dem Rundbau aus bewachen zu lassen. Sein Besitznachfolger und Schwiegersohn Ignaz Mittermeier sah für das Gebäude eine neue Nutzung vor. Er gestaltete den Bau zu einer Kapelle mit Ausstattung um und schuf damit eine reizvolle Andachtsstätte, von der aus man einen wunderbaren Blick auf Ilmmünster und das Ilmtal hat.